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Aufstellungsarbeit als Methode in Beratungs- und Bildungsprozessen erleben, ausprobieren, reflektieren
Aufstellungsarbeit als Methode in Beratungs- und Bildungsprozessen erleben, ausprobieren, reflektieren
Bericht über den Fortbildungstag im September 2024 von Corinna Heimeshoff
Das Thema des Fortbildungstages ist vielfältig und bewegend – ganz wörtlich. So startete schon die Vorstellungsrunde, aufgestanden und hingestellt, zu den ersten Fragen: „Wo wohne ich?“ (Aufstellung nach Himmelrichtungen), „In welchem Berufsfeld arbeite ich?“ (Aufstellung nach Clustern), „Wie lange mache ich schon TZI?“ (Aufstellung in einer Linie).
Wir waren zu dreizehnt (11 Teilnehmende, 2 Leiterinnen), und Gemeinsamkeiten und Unterschiede wurden schnell sichtbar.
Der Fortbildungstag - eine Veranstaltung des RCI BDO - findet alle zwei Jahre im Herbst statt. Die Teilnehmenden, meist Mitglieder des Vereins, zahlen einen geringen Unkostenbeitrag. Der Tag wurde diesmal geleitet von Judith Burkhardt und Andrea Simon.
Neben der Aufstellungsmethode der „Differenziellen Soziometrie“, die den oben beschriebenen Auftakt bildete, konnten wir noch andere Methoden ausprobieren: Aufstellung des „Inneren Teams“, Aufstellung einer Teamkonstellation im Arbeitskontext, Aufstellung einer Entscheidungssituation mithilfe der „Tetralemma-Methode“.
Im Vorfeld waren wir gebeten worden, konkrete Aufstellungsanliegen mitzubringen, damit wir im Seminar genügend „Material“ zum Üben und Reflektieren zur Verfügung hatten. Nach jeder Aufstellung und der damit verbundenen Lösungsfindung wurde die Methode und ihre Anwendbarkeit auf bestimmte Praxisfälle reflektiert, und es wurden Anregungen und Tipps für die Weiterarbeit gegeben.
Ich bekam die Chance, mein Anliegen aufzustellen: Ich hatte das sehr persönliche Thema „Was regt sich in mir zum Thema Abschied?“ gewählt und wurde von Judith mithilfe der Aufstellungsmethode ‚Inneres Team‘ nach Friedemann Schulz v. Thun sehr behutsam durch mein Thema geführt. Die gesamte Gruppe war involviert. Alle bekamen von mir eine Stimme mit Namen und typischen Sätzen zugeteilt. Meine Inneren Stimmen nahmen Gestalt an. Ich stellte sie als Platzhalter*innen so auf, dass ihre Nähe/ Distanz, Stärke/ Schwäche und Position zueinander und zu mir als Protagonistin und Leiterin meines Inneren Teams sichtbar wurden. Am Ende der Aufstellung meines Inneren Teams hatte ich für mich einen Lösungsweg gefunden, der mir ohne Aufstellung nicht bewusst geworden wäre.
Diese Methode bleibt gut im Gedächtnis. Das hängt wohl damit zusammen, dass die meisten Menschen in Bildern denken. Und die inneren Stimmen bleiben, ich nehmen sie mit bis sich mit der Zeit wieder neue um den inneren Tisch versammeln.
Die Aufstellungsmethode „Tetralemma“ probierten wir am Nachmittag aus. Die Methode wurde von den Systemiker*innen Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd entwickelt. Beim „Tetralemma“ soll der Entscheidungs- und Handlungsraum erweitert werden. Und es dient der Selbstklärung. Es macht insbesondere dann Sinn, wenn eine Entscheidung zwischen zwei Positionen schwierig oder unmöglich erscheint, wir uns in einem Dilemma befinden.
Um die Methode anschaulich zu machen, brachte eine Teilnehmerin das Thema ein “Leben mit dem Abschied von einer Freundschaft – wie soll ich mich entscheiden?“: Nach vielen Jahren der Freundschaft reagiert eine Freundin nicht mehr auf Anrufe. „Soll ich weiter versuchen, sie zu erreichen, oder nicht, oder gibt es eine Alternative?“ fragte sie sich.
Dann betrat sie nacheinander fünf Positionen, die Andrea als Karten/ Bodenanker auf dem Boden ausgelegt hatte: „das Eine“, „das Andere“ (die beiden Positionen, die sich zunächst auszuschließen scheinen) „Beides“ (die übersehene Gemeinsamkeit), „Keines“ (der übersehene Kontext), „Dies nicht und auch das nicht“.
Beim langsamen Durchschreiten der fünf Positionen begleitete die Beraterin die Protagonistin und stellte an jeder Position Fragen: „Wie geht es dir auf dieser Position? Welche Gedanken entstehen? Welche Gefühle? Welche körperlichen Reaktionen? Tauchen Geschmäcker oder Gerüche auf? Ergeben sich Bilder oder Stimmen?“ Die Protagonistin hielt immer wieder inne, spürte in sich hinein, formulierte ab und zu einen Gedanken oder brachte Gefühle und körperliche Reaktionen zum Ausdruck. An manchen Positionen verharrte sie stumm.
Am Ende stellte die Beraterin die Frage: Was hat sich für dich verändert durch das Durchschreiten der fünf Positionen? Und was könnte ein nächster Schritt sein?
Parallel dazu fand eine Aufstellung mit „Schleich-Tieren“ statt. Die psychodynamische Darstellung innerer und äußerer Konflikte in der Teamarbeit wurde hier durch Tiere sichtbar gemacht. Tatsächlich eignet sich die unterschiedliche Ausstattung der Tiere in Form, Farbe, Größe, Umfang sehr gut für die Darstellung von äußeren und inneren Beziehungskonstellationen.
Die Beraterin benannte die Aufgabenstellung, stellte eine umfangreiche Sammlung unterschiedlichster Tiere zur Verfügung und definierte zusammen mit der Protagonistin den Ort für die Aufstellung. Erst als die Protagonistin alle für sie wichtigen Akteure/ Tiere aufgestellt hatte, fragte die Beraterin nach, z. B. im Hinblick auf Nähe und Distanz, Einfluss und Macht, Sympathie und Antipathie und bat die Protagonistin, die Positionen der aufgestellten Tiere noch einmal auf Stimmigkeit zu überprüfen. Erst danach begann die Auswertung. Und auch hier am Ende die Frage, „Was könnte ein nächster Schritt sein. Was wäre jetzt hilfreich?“
Wenn ihr jetzt denkt: Schade, dass ich nicht beim Fortbildungstag dabei war. Ja, das finden wir auch! Vielleicht beim nächsten Mal?
Hier eine kleine Anleitung, die jede*r allein oder mit einem Gegenüber zu seinem*ihren Thema aufstellen kann. Viel Erfolg dabei!