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Besser scheitern
Eindrücke von der Jahrestagung
„Wieder versuchen. Wieder Scheitern. Besser Scheitern (S. Beckett) – Über die Bedeutung des Scheiterns beim lebendigen Lernen
Die diesjährige Jahrestagung vom RCI Berlin/Deutschland Ost fand vom 28.2. – 1.3.2025 in Berlin statt. Der Tagungsort ist die schwedische Gemeinde in Wilmersdorf – und bietet einen wunderbaren Rahmen. Das Team der Gemeinde verwöhnt uns mit Lachs und Zimtbrötchen: besser kann ein Start gar nicht sein!
Nach Begrüßung und Willkommen und einem ersten in Kontakt kommen gibt es also Abendessen und danach beginnen wir. Scheitern – und dann auch noch besser scheitern… ein ganz schön herausforderndes Thema wartet da auf uns! Der Vorstand führt uns in beiden Tagen sicher und motivierend durch das Thema. Wir beginnen mit einem Austausch in Kleingruppen:
Der Anfang
Was verstehen wir unter Scheitern? Wie erleben wir ganz persönlich unser Scheitern? Oder passt das gar nicht, vielleicht scheitern wir gar nicht, weil uns alles gelingt…? Wir merken schon in der ersten Runde, dass wir ganz unterschiedliche Blicke auf das Thema haben. Für manche fühlt sich das Thema auch etwas sperrig an. Je länger wir sprechen, desto mehr lassen wir uns ein. Es geht vielleicht weniger um kleine Dinge, die nicht gelingen, sondern mehr um ein tiefes Gefühl des Versagens, manchmal verbunden mit Gefühlen von Scham und Schuld. Es geht ums Selbstkonzept „Ich habe es nicht geschafft“, „Hätte ich doch nur mehr dies oder weniger das getan“, „Wie sehen mich jetzt bloß die anderen“? „Ich bin nicht klug genug, nicht kompetent genug, nicht gut genug“… Was passiert, wenn wir dieses Gefühl tatsächlich zulassen, den Schmerz spüren und nicht einfach verdrängen oder umdeuten? Oder ist es vielleicht sogar viel hilfreicher, solche Situationen einfach wegzuschieben?
Mit vielen Gedanken und Fragen und ersten Erkenntnissen gehen wir in den Abend – ins gemeinsame Ausklingen mit den anderen oder gleich ins Hotel oder nach Hause.
Der zweite Tag: Mein Scheitern gehört (zu) mir. Wie kann ich mich damit versöhnen und weiterentwickeln? Und was hilft mir?
Am nächsten Morgen geht es weiter mit der Frage nach konkreten Situationen, in denen wir Scheitern erlebt haben – und wie wir damit umgegangen sind.
Bevor wir in den Inhalt starten, gibt es erst einmal Gedanken und Fragen zum Globe: können wir uns hier auf das Thema Scheitern einlassen und uns sozusagen mit uns selbst beschäftigen – in der Nacht gab es den Eklat zwischen Selenskyj und Trump, wir alle sind mit den Ergebnissen der Bundestagswahl beschäftigt – in vielen Gesprächen und auch in den Arbeitsgruppen am Vorabend haben sich diese Fragen und Gefühle schon widergespiegelt. Das Thema des Globe begleitet uns weiter.
In den folgenden Arbeitsgruppen arbeiten wir fokussiert an unseren Situationen und verschiedenen Bewältigungsstrategien. Beim anschießenden Austausch wird deutlich, dass es viele ähnliche Impulse gab, aber auch unterschiedliche und manchmal auch herrlich paradoxe Wege des Umgangs mit Situationen des Scheiterns. Für viele – und auch für mich ganz persönlich – scheint es sinnvoll zu sein, den Moment des Scheiterns erst einmal zu realisieren, vielleicht auch den Schmerz zuzulassen. Und dann fächern sich viele Möglichkeiten auf, wie es weitergehen kann: Freundschaft und Austausch mit anderen, Wahrnehmen und reflektieren, eventuelle mit Hilfe von außen, die eigene Würde, den Selbstwert wieder entdecken, Alles, was die Selbstliebe stärkt, Verantwortung, statt Schuld zu verteilen, einfach wegtanzen und wegkochen… dies sind nur einige Stichworte aus der Diskussion.
Auch der Bezug zur TZI darf nicht fehlen: viele der wichtigen Leitsätze und Grundlagen der TZI sind hilfreich bei der Analyse und Reflexion von Situationen des Scheiterns, genauso wie bei der Bewältigung. Immer wieder fällt der Satz: „ich bin nicht allmächtig – ich bin nicht ohnmächtig – ich bin partiell mächtig“.
Der Abschluss: Eine Fürsprache für das Scheitern
Ein kurzer Satz als Fürsprache für das Scheitern – mit viel Humor und originellen Gedanken, mit viel Tiefgang und Philosophie gehen wir in die thematische Abschlussrunde der Tagung:
- „Leben ist Wagen – nicht Wagen ist nicht Leben“
- „Heiter Scheitern“
- „Wer auf keinen Fall Scheitern will, erstarrt“
Auch dies sind nur einige Beispiele für unsere Runde: Mich bewegt sehr die Erkenntnis, dass Scheitern und Nichtgelingen nicht nur einfach zum Leben (aller!) dazu gehört, sondern dass es Bestandteil eines lebendigen, wilden, wunderbaren Lebens ist.
Und sonst noch
Die Jahrestagung ist für mich – und ich habe den Eindruck, dass dies viele der Teilnehmenden auch so empfinden – immer ein intensives Zusammenkommen mit großartigen Menschen, die eine ähnliche Grundhaltung zum Leben und zur Welt haben. Wie oft im TZI Rahmen, gab es auch hier intensive Gespräche und das Kennenlernen von neuen Menschen. Ich gehe gestärkt und mit einem Gefühl der Verbundenheit und Wärme nach Hause.
Susanne Braun
