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Deutsche – Palästinenser – Israel
Was bewegt uns, wie bewegen wir uns in diesem Trilemma?
Wirklich, ein schweres und wichtiges Thema hatte sich die Leitung dieser Werkstatt vorgenommen, aktuell wegen der neuen alten Judenfeindschaft in unserem Land und den unmenschlichen Lebensbedingungen in den von Israel zerstörten Gebieten der Palästinenser.
Zugleich war diese Werkstatt ein Beitrag zu der alten Frage: Wie politisch ist die TZI? Was heißt heute „Humanisierung der Gesellschaft“ und kann die TZI dazu einen Beitrag leisten?
Drei Schritte sind mir besonders von diesem Tag in Erinnerung geblieben: Eine Vorstellungsrunde, mit den etwa 20 Personen, die gekommen waren. „Wer bin ich und was hat mich gelockt, heute hierher zu kommen?“ Dabei waren wir schon mitten im Thema – und haben gehört, dass unter uns auch einige Israel Erfahrene waren, Menschen, die durch Arbeitsvertrag, Familie oder Freundschaft längere Zeit in Nahost gewesen sind und die Situation um Jerusalem sehr genau kannten. Wenn wir uns im weiteren Prozess gelegentlich in ein „Ja, aber…“ verrannten, konnten sie durch ihre differenzierte Kenntnis zu einer anderen Sicht verhelfen.
Ein zweiter Schritt, der mir im Gedächtnis blieb: Wir versuchten, uns jeweils in die Situation von Palästinensern, Deutschen und Israelis einzufühlen, uns für eine Zeit mit ihnen zu identifizieren, und aus diesen Rollen heraus die spezifischen Erfahrungen, Ängste und Argumente zu formulieren. Wir spürten dabei, dass die Vergangenheit nicht vergangen ist, sondern die Gegenwart und wohl auch die Zukunft in der Region bestimmen wird. Denn in jeder dieser Rollen gab es gute Argumente – nur waren diese genau entgegengesetzt und wir sahen, wie verflochten die Wirklichkeit ist. Dieser Konflikt ist nicht mit Argumententen zu klären, zu tief sitzen die unterschiedlichen Sichtweisen und Erfahrungen.
Ein dritter Schritt brachte Ruth Cohn ins Spiel. Ihr Nachlass ist jetzt zugänglich und wir konnten lesen, wie sie den Nahost-Konflikt sieht. Sie war aufgewachsen in einem bürgerlich-jüdischen Milieu und emigrierte als Jüdin in die Schweiz und dann weiter nach Amerika. Zwei Briefe lagen uns vor. Ich habe darin einen Satz, ein Wort gefunden, das mir zur eigenen Klärung sehr hilft: Ruth Cohn schreibt in einem Brief vom 4.3.95: „Ich habe Israel nie besucht, weil ich die schicksalhafte Schuld und die schuldigen Schicksale aller Menschen dort […] nicht miterleben wollte.“ – „Schicksalhafte Schuld und schuldige Schicksale“ – diese Formulierung zeigt mir, wie ineinander verknotet die Wahrheiten in diesem Konflikt sind. Ich kann sie nicht lösen, aber vielleicht festhalten, dass es unterschiedliche Sichtweisen auf die Wirklichkeit gibt und deshalb gilt: „Wenn du Recht hast, muss ich nicht Unrecht haben!“ Kein TZI-Satz, und trotzdem hilfreich! Vielleicht ein Beitrag zur Humanisierung unserer Welt.
Diese TZI-Werkstatt war ein gelungener Einstand von Michael Glanz aus Dresden und Annette Schymalla aus Berlin. Sie hatten für diesen Start Jens Röhling aus Berlin zur Mitleitung eingeladen. Michael Glanz und Annette Schymalla sind auf dem Weg zur TZI-Graduierung und haben die Verantwortung für die TZI-Werkstatt übernommen. Dr. Claudia König und Peter Vogel haben diese Verantwortung aus Krankheitsgründen froh und zugleich mit Wehmut abgegeben.
Die nächste TZI-Werkstatt wird am 11.10.2025 stattfinden zum Thema: „Lieber faul als immer müde – Ansprüche an mich von innen und außen.“
Peter Vogel