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Was ist TZI?

Gedanken nach der TZI-Werkstatt am 13.5.2023 in Meißen von Peter Vogel

„Was ist TZI?“ – „Ach, da sitzen sie im Kreis und auf dem Fußboden in der Mitte steht ein Blumenstrauß!“

Ist das so? Bei der Prozessreflexion zum Abschluss der TZI-Werkstatt am 13.5. gab es um diese Frage eine richtig tiefe Auseinandersetzung. In der Prozessreflexion geht es nicht mehr um das erarbeitete Thema, schon gar nicht um richtig oder falsch – sondern wir treten innerlich einen Schritt zurück, blicken auf den Prozess dieses Tages und fragen, mit welchen Themen, Strukturen, Methoden oder Interventionen die Leitung gearbeitet hat und wohin uns diese geführt haben, welche Alternativen es geben könnte usw. Und da kam zur Sprache, was zuvor schon gelegentlich aufleuchtete: Warum sitzen wir nicht im Kreis, wie es doch normal ist bei TZI?

Tatsächlich, als die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Morgen in den Tagungsraum kamen, standen keine Stühle im Kreis, sondern es gab verteilt im Raum Tische mit je 4 Stühlen. Eine Teilnehmerin sagte rückblickend: „Für mich war klar: Hier ist nicht TZI!“ - und suchte im Haus den „richtigen“ Gruppenraum. Nun berichteten auch andere, was die Tische und die „falsche“ Bestuhlung ausgelöst hatten. Ja, es gab am Morgen eine Aufgabe, die von der jeweiligen Tischgruppe schriftlich zu erledigen war. Die Tische waren dafür hilfreich. Waren sie notwendig? Umgekehrt: Ist der Stuhlkreis für TZI notwendig, gar konstitutiv? Ist er das Merkmal, dass hier nach TZI gearbeitet wird? – An dieser Frage gingen die Meinungen weit auseinander, waren die Argumente auch emotional aufgeladen.

In der Tat, der Kreis ist für die Arbeit in (kleinen) Gruppen ideal: Alle können einander sehen, er erleichtert die Kommunikation und signalisiert, dass es hier keine Hierarchie gibt und alle in der Runde gemeinsam an einer Aufgabe arbeiten. Ich fand den Stuhlkreis bei meinen ersten TZI-Seminaren sehr ungewohnt – wo soll man denn zum Beispiel etwas aufschreiben, nachschlagen, vortragen? Bis ich merkte: TZI will anders lernen, mit der ganzen Person, mit Verstand und Gefühl. Dafür waren die Gespräche im Kreis hilfreich, weil sie Mut machten, „Ich“ zu sagen! Außerdem können Übungen oder Rollenspiele unkompliziert im Kreis entwickelt und erprobt werden. Ich erlebte bei TZI ein lebendiges Lernen, wie ich es weder in der Schule noch im Studium erfahren hatte. Der Stuhlkreis war dafür eine Hilfe und ein Zeichen!

Aber es gibt auch eine andere Seite: Die Sitzordnung im Kreis ohne Tische ist vielen nicht nur ungewohnt, sondern auch unangenehm. Wohin mit meinen Beinen? Und wo kann ich mich verstecken, wenn ich etwas nicht weiß? Ich erlebte bei einer TZI - Weiterbildung zwei junge Lehrerinnen, die angesichts des Kreises ratlos in einer Ecke standen: Sie hatten vorher vereinbart: “Wir setzen uns ganz hinten hin!“ Doch wo ist nun hinten?

Und wo kann ich bei einem Hebräisch-Seminar die dicke Bibel, das Wörterbuch und meine Schreibutensilien hinlegen? Oder die Materialien zur Tagesordnung bei einer Lehrerkonferenz? Man kann auch mit Tischen im Kreis sitzen! Oder soll auf TZI verzichten, wer in einem Hörsaal mit Studierenden arbeitet, die hintereinander in Bänken sitzen, die am Fußboden angeschraubt sind?? Auch bei einem Vortrag (ja, das gibt es auch bei TZI!) oder wenn Videos an der großen Leinwand zu einem Thema eingeblendet werden, ist der Kreis nicht hilfreich!

Mir ist aus meiner Praxis deutlich: Wenn ich TZI nicht nur in „reinen“ TZI-Ausbildungsgruppen praktizieren will, sondern in alltäglichen Zusammenkünften, Sitzungen oder klassischen Bildungsveranstaltungen, dann muss die Sitzordnung dem jeweiligen Vorhaben, der Gruppe und dem Globe entsprechen. Die Runde im Kreis hat viel für sich, sie signalisiert ohne Worte schon als Struktur etwas davon, was TZI will und wie hier gearbeitet wird. Aber sie ist nicht Voraussetzung oder Ausweis für lebendiges Lernen.

Und der Blumenstrauß in der Mitte? Sind die Blumen einfach ein schöner Blickfang, damit ich nicht auf den nackten Fußboden schauen muss oder vielleicht die ungeputzten Schuhe meines Gegenübers entdecke? Ich glaube, in der Mitte geschieht mehr: Da kommt vielleicht manchmal noch eine Kerze hinzu, ein schönes Tuch, ein kostbarer Stein… Zeigt sich darin die geheime Sehnsucht, es möge in diesem Seminar auch so sanft und behutsam zugehen?

Ein Freund sagte nach etlichen TZI-Seminaren: „Ich verstehe nicht, warum die Mitte immer so weiblich gestaltet wird; sanft, schön, harmonisch… Warum steht nicht mal ein Hackklotz oder eine Schubkarre in der Mitte?“ Ich finde dies bedenkenswert.

Inzwischen habe ich den Eindruck, die gestaltete Mitte ist auch ein Beitrag zum Thema, vielleicht noch unerkannt, unabsichtlich. Die Mitte „spricht“, sie stellt Fragen, löst Assoziationen aus. Ihre Gestaltung gehört zum „Anfang vor dem Anfang“ – erst recht, wenn da nicht das Gewohnte zu sehen ist. Wie wäre es also einmal mit einem Hackklotz oder wie neulich ein Haufen verknoteter Stricke und Seile? Welche Themen sind damit aufgerufen noch bevor es begonnen hat?

Was ist TZI? Die Frage nach dem Stuhlkreis war nur ein Punkt bei unserer Prozessreflexion. Ich fand: Auch dafür lohnte sich der Tag in Meißen.



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